body neutrality
- rahelmeshorerharim
- 19. Apr.
- 2 Min. Lesezeit

Als ich vor einigen Tagen dieses Foto von mir in Unterwäsche in den Stories hatte, meinte jemand: "Du bist aber mutig!" Es war durchaus anerkennend gesagt worden und gemeint war natürlich meine übergewichtige Figur. Die #instagramable Antwort wäre wohl ein empörtes "Warum denn mutig?" und sowas wie "alle Körper sind schön" gewesen.
Aber ehrlich? Ich finde mich auch ganz schön mutig. Die Veröffentlichung des Fotos ist dabei der kleinste Mutanteil - zuvor hatte ich mich ja am Strand vor allerlei Leuten bis auf die Unterwäsche ausgezogen und mit der kleinen Bohne im Meer gebadet, im Sand gesessen und Muscheln gewaschen.
Denn während ich mir genau nichts denke (und das war eine ganze Menge Arbeit), wenn ich eine übergewichtige oder anderweitig sogenannt nicht normschöne Person sehe, gestehe ich anderen Augen diese Neutralität nicht zu, wenn sie auf mich blicken. Seit zwei Jahren ruht nun aber auch so oft ein anderer Blick auf mir - der Blick meiner kleinen Bohnentochter, für welche das, was wir Eltern tun, die Welt und deren Grundlagen definiert.
Aber nicht nur, was wir tun, sondern eben auch, was wir lassen. Deshalb habe ich den mutigen Vorsatz gefasst, keine Dinge mehr zu lassen, weil ich mich vor den Blicken anderer fürchte - zum Beispiel in Unterwäsche im Meer baden gehen. Oder die kurzen Hosen tragen, trotz Cellulite und unrasierten Beinen. Nein, es sollte mich nicht kümmern, was andere über mich denken. Doch so leicht lassen sich solche tiefen Prägungen eben nicht mal schnell tilgen.
Der Blick der kleinen Bohne erzieht mich, ohne es zu wissen. Er lässt mich gütiger mit mir selbst sein, lässt mich weich werden und bleiben. Ja, der Bauch ist dick, aber die kleine Bohne empfindet die Dehnungsstreifen als "wow!", und mal ehrlich: Sind sie ja auch, denn sie sind Zeuginnen davon, dass ich dieses Kind in mir getragen und es geboren habe. Haare an Beinen und in Achselhöhlen sind kitzlig und "Igel streicheln". Wie kann man Igel nicht mögen?
Ich möchte meiner Tochter nichts vorspielen: Etwa, dass ich mich vollumfänglich wunderschön finde. Das stimmt nicht und muss es auch gar nicht. Ich hoffe, ihr mitgeben zu können, dass viele Dinge und Gepflogenheiten, welche den Körper und dessen Aussehen betreffen, eigentlich ganz egal sind. #bodyneutrality anstatt #bodypositivity vermitteln.
Dass der Körper unser Werkzeug fürs Leben ist: zum Rennen und Klettern, zum Spielen, Malen und Musizieren, zum Umarmen und Nahesein, zum Gebären und Nähren. Und dass man zu diesem Werkzeug Sorge tragen soll, es pflegen, nähren, wärmen, aktivieren und bewegen, wertschätzen und liebkosen (lassen). Die Grundlage für unser Leben, nicht weniger, aber auch nicht mehr - nämlich kein Gradmesser unserer Wesen, Gaben und Besonderheiten.
Und bevor ich der kleinen Bohne Erinnerungen versage, in welchen wir zusammen ins Meer hüpfen und am Strand Muscheln sammeln, lasse ich mich lieber dazu erziehen, die Blicke anderer auf mir zu ertragen. Vielleicht denken sie ja auch einfach nur: Wie schön, eine Mutter und ihr Kind haben Spass zusammen.
Comments